Angeblich werden die Tage jetzt wieder länger, ganz langsam, Stück für Stück. Obs stimmt kann ich kaum sagen, hier ist es um 17 Uhr jedenfalls bereits stockduster. Was mich nicht wirklich stört, solange alle noch ihre Weihnachtsbeleuchtung brennen lassen und die schönen Altbauten auf unserem Spazierweg aussehen wie aus einem Märchen. Im Januar wird das aber auch vorbei sein. Dann fällt der Blick auf einen aufgeweichten Parkweg, strunkige, blattlose Bäume und durchwühlten Rasen. Sogar der November ist besser als der Januar, weil man dann in Weihnachtsvorbereitungen steckt, alles geschmückt ist und der Depressionskandidat an sich sich den Winter-Blues mit Glühwein schöntrinken kann. Der Januar ist für mich dagegen immer der Montag des Jahres. Furchtbar. Düster. Schnee und Eisregen: immer im Januar. Nebenkostenabrechnungen müssen bezahlt werden, Versicherungen kassieren ab und schwubs ist das Weihnachtsgeld auch schon wieder zum Teufel.
Unser Vermieter ist heute sogar persönlich vorbei gekommen um die Nebenkostenabrechnung zu übergeben, wahrscheinlich, damit die G.s nicht etwa einen auf ahnungslos machen können und dann nicht zahlen müssen. Diese enorme Kontaktfreudigkeit liess nichts gutes vermuten und tatsächlich, fast 600 Euraten werden nachträglich fällig. Schöne Scheisse. Und eine Nebenkostenerhöhung winkt uns dann auch. Ab Januar. Ich sage ja, ich liebe den Januar - fast so, wie einen Pickel am Arsch.
Trotz der unangenehmen Neuigkeiten sind Herr G. und ich dann aber doch noch losgestiefelt, haben beleuchtete Häuser bewundert, den Schwanenvater beim füttern seiner Schützlinge beobachtet und uns dann ein köstliches Essen in der Alten Mühle einverleibt. Herr G. Grünkohl mit karamellisierten Kartöffelchen und Kochwurst und ich lecker Roastbeef mit Bratkartoffeln. Und das beste am heutigen Tag ist und war, dass alle anderen hektisch herumwuseln, während wir schon gestern alles für die nächsten Tage eingekauft haben und bis morgen abend einfach nur relaxen können. Und dann gibts ein ganz entspanntes Fleischfondue und ein paar nette Videofilme, die wir immer schon mal sehen wollten.
Ich werde mir also gleich eins meiner Weihnachtsbücher schnappen und gemütlich lesen, bis es Zeit wird zur Sneak Preview in unserem Stammkino aufzubrechen. Das das FSK mir 18 angegeben ist lässt allerdings schreckliches vermuten. Inzwischen sind wir uns fast sicher, es wird auf das hier hinauslaufen. Ich werde vorsichtshalber eine Packung Vomex und eine kleine Tüte einpacken...

Mail Adressen die ich nicht mehr finden kann, sind meiner Ansicht nach ein göttliches Zeichen dafür, dass ich den betreffenden Personen besser nicht schreiben sollte. Wahrscheinlich ist bereits alles gesagt worden.

Manchmal frage ich mich, wann es eigentlich aufgehört hat, das Gefühl, mit einer Person 365 Tage in einer Telefonzelle eingesperrt sein zu können und sich trotzdem etwas zu sagen zu haben? Immer noch, oder vielleicht gerade dann. Wann wurde der übliche Besuch, der so selbstverständlich war wie die Gezeiten, zur magenschmerzenbereitenden Pflichtveranstaltung? Wann wurde aus einer behaglichen Stille, einem gemeinsamen sinnieren ein peinliches Schweigen? Wann hörten wir auf Geheimnisse zu teilen, wann begann ich hinter jedem Wort einen zweiten, abfälligen Sinn zu vermuten? Wann wurden Anrufe zur Last? Wann wurde alles auf dieser Welt plötzlich wichtiger als die ehemals beste Freundin?
Wenn ich nur wüsste wann das alles geschehen ist, vielleicht könnte ich es dann begreifen. Irgendwann.

Allen, die nicht im trauten, nervtötenden Familienkreis hocken müssen und frei im Net herumschweben können, wann immer es ihnen passt, kann ich heute zurufen: ich bin eine von Euch! Das erste Mal seit Jaaaaahren keine Verpflichtungen, nur Ruhe, Spass, Entspannung.

Nur schade, dass Frau G. am Heiligabend hauptsächlich flach lag und das den Genuss mal wieder leicht geschmälert hat, aber was will man machen.

So gabs statt Festtagsmenue Raclette, das eigentlich für heute geplant war und heute eventuell das Menue, mal sehen, wie der Tag noch so verläuft, richtig fit bin ich leider immer noch nicht. Aber alles ist besser, als dieser heftige Schwindel, der einen quasi ans Bett fesselt.

Geschenketechnisch bin ich jedenfalls total liebevoll bedacht worden und das nicht nur von Herrn G., nein, gestern kam auch noch ein Überraschungspräsent aus unerwarteter Richtung, über das ich mich, trotz plattgedrückter Raffaellos sehr gefreut habe, denn es enthielt eine Entspannungsoption für 2004, na wenn das nix ist...

Wir wohnen gegenüber von Minimal. Und es ist dieser Tage spannender als TV zu glotzen, den dazugehörigen Parkplatz zu beobachten. Vollgepackte Einkaufswagen, die in parkende Autos donnern, Oppas die falsch herum in die Einbahnstrasse fahren, Muttis, die krachend über die Fahrbahnbegrenzung hoppeln, beklaute Kunden im Klinch mit der Polizei, Unfälle beim ein- und ausparken.

Und auch wenn man zu Fuss unterwegs ist, wie Herr G. und ich, ist man seines Lebens nicht sicher, oder vielleicht gerade dann nicht. Es empfiehlt sich Turnschuhe zu tragen, um im Zweifelsfall schnell genug zur Seite sprinten zu können. Herr G. und ich haben unsere Einkäufe fair aufgeteilt. Er hat die grosse Aldi-Runde gemacht und ich die kleine Minimal Feinschmecker Runde.

Das Dessert für unser Festtagsmenue morgen abend kühlt schon auf dem Balkon aus und sollte die Al Quaida sich doch noch entschliessen Hamburg zu terrorisieren, unser Kühlschrank ist so voll, wir müssen eh die nächsten Wochen nicht mehr vor die Tür.