Fu Kar We: F R a U is for me (and Tatouage) G
Frau G.
Donnerstag, 20. Oktober 2005
Unter der Hecke
Rem Tem Trecker

Der Rem Tem Trecker ist ein komischer Katz,
Wenn er eine Ratz hat, dann will er `nen Spatz.
Wenn er Fasan hat, möcht’ er `ne Wachtel.
Hat er ein Haus; er will in die Schachtel,
Sitzt er in der Schachtel, will er ein Haus.
Wenn er den Spatz hat, dann möchte’ er die Maus.
Ja, der Rem Tem Trecker ist ein komischer Katz.
Er ist, wie es ist, ich bin lieber still,
Das sind so Sachen.
Dann kann man nichts machen.
Er will nun einmal das, was er will.

Rem Tem Trecker macht einen schrecklich nervös:
Wenn er draußen sein soll, dann wird er bös.
Ist er drinnen bei mir, ist’s ihm gar nichts wert –
Jede Seite der Tür scheint ihm verkehrt.
In meinem Schreibtisch ist er zu Haus,
Doch tobt er ganz furchtbar, kann er nicht raus.
Ja, der Rem Tem Trecker ist ein komischer Katz.
Er macht nun einmal genau, was er will.
Da kann man nichts machen.
Das sind so Sachen.
Ich sag lieber nichts, ich bin besser still.

Rem Tem Trecker ist ein komischer Katz.
Nur Widerstand, meint er, sei stets am Platz.
Wenn du Hasen ihm bietest, verlangt er nach Fisch,
Doch der bleibt dann stehen unter dem Tisch.
Wenn du Sahne ihm gibst, ist’s ein Sträuben und Strauben,
Nur was er selbst findet, an das kann er glauben.
Doch stellst du sie weg, aufs Bord seithin,
Steckt sein Köpfchen bis über die Ohren drin.
Rem Tem ist aufs Durcheinander erpicht,
Er liebt Kosen und zärtliches Kraulen nicht –
Doch nähst oder schreibst du: mit einem Satz
Macht er deinen Schoß zu seinem Platz.
Ja, der Rem Tem Trecker liegt mir im Magen.
Was soll ich noch mehr erzählen und sagen.
Da kann man nichts machen.
Das sind so Sachen.
Da schweig ich lieber. Will nicht mehr klagen.

(Thomas Stearns Eliot)

Mein Rem Tem Trecker hiess Romeo und wurde 17 Jahre alt.
Als ich ihn aus dem Tierheim holte war er gerade mal ein paar Wochen und steckte in einer engen Kiste mit zig anderen, kleinen Geschwistern. Er hatte unglaubliche Massen von Flöhen und sass brav auf einem weissen Handtuch während ich das Puder gegen die Plagegeister auftrug.

Er hatte auch einen bösen Infekt und ich fuhr lange Zeit ständig zum Tierarzt mit ihm, bis ich es nicht mehr aushielt und ihm Kohlekompretten gab. Von da an war er die gesündeste, wilde, kleine Katze, die unsere Wiesen und Bäume je zu Gesicht bekommen hatten. Er liebte Kartoffelsalat und meinen Plüsch-Alf, den er ständig irgendwo versteckte.

Er putzte die Pfote, wenn man ihn darauf küsste, weil er darauf bestand selbst zu bestimmen wann Schmusezeit war. Sein Miauen klang immer ein bißchen heiser und er kratzte und biss niemals, denn das war eindeutig unter seiner Würde.

Als ich mein Elternhaus verliess, durfte er dort bleiben, denn weil ich ihn so liebte, wusste ich, es würde ihm das Herz brechen von dort fort zu müssen. Er war ein wilder Freigeist, der nachts über die Pferdeweiden pirschte und fremden Katzen zeigte wo der Frosch die Locken hat. Er war der King.

Ich besuchte ihn oft und war und blieb die einzige, die, wenn er krank war, alles mit ihm machen durfte.

Als ich ihn das letzte Mal sah, war er gezeichnet von Alter und Krankheit.
Ein Schlaganfall hatte seine Pupille im linken Auge unnatürlich vergrössert. Ich versorgte eine böse Wunde an seinem Kopf, von der niemand wusste woher sie kam und kochte ihm Lachs mit Bandnudeln.

Er schlief und trank viel. Wir wussten beide es würde nun bald zuende gehen und ich verabschiedete mich und er verabschiedete sich.

Heute Nachmittag brachte mein Bruder ihn zum Tierarzt und nun liegt er dort unter der Hecke, an der Stelle, die er so sehr liebte, weil da ein besonders schöner Sonnenfleck auf seinen getigerten Pelz schien. Im nächsten Jahr wollen wir dort einen Rhododendron pflanzen.

Ja, er war alt und ja, er war, wie ich an anderer Stelle las, nur ein Tier. Aber er war mir lieber und wertvoller als die meisten Menschen.

Ich werde ihn nie vergessen und ich weiss er mich ebenfalls nicht.

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Sonntag, 9. Oktober 2005
So ist dat Leben
Fast eine ganze Woche in der alten Heimat hat so etwas wie Nostalgie anklingen lassen. Früher fand ich die norddeutsche Klangfarbe des gesprochenen Wortes gemächlich und gemütlich, nun geht es mir so mit dem Bergischen.

Mit Erstaunen stellte ich fest, dass das Sortiment diverser Billig-Supermärkte, in die die Ichbins, meine werte Mutter, mich mit ellenlangen Einkaufszetteln scheuchte, das Angebot um Tiefkühldöner, Sesamsamen und diverse orientalische Gewürze erweitert haben.

Von denen kaufte ich natürlich nichts ("Bisse gescheit? Kommt garnich inne Tüte so ein Frass!"), der Ichbins gings hauptsächlich um Zungenwurst und Milch für ihre Katzen und eine dicke Sellerieknolle für die frische Suppe mit Markbällekes, "damit dat arme Kind mal wat gescheites zum essen bekommt."

Die ausländische Mitbürger mögen vielleicht ihre exotischen Gerichte bevorzugen, ihre Mentalität scheint sich der Bergischen jedoch anzupassen. Es war jedenfalls aufschlussreich eine türkische Mutter zu beobachten, die ihren ungezogenen kleinen Sohn auf türkisch ausschimpfte, um in perfektem deutschem Wortlaut: "Un´ gezz is hier Feierabend, kla´?!" hinten anzufügen.

Wobei mein Highlight sich am Samstag Morgen beim Lidl ereignete (Ja, es heisst beim Lidl!) Dort bestand der Verkaufsschlager des Tages aus hässlichen kleinen Nadelgewächsen für den Friedhof. Die Omma vor mir schleppte gleich zehn Stück der hässlichen Strünke an, wahrscheinlich um die Gräber sämtlicher Verwandten damit zu verschandeln, die sich aus naturgegebenen Umständen nicht mehr dagegen wehren können.

Leider fand sich auf keiner der botanischer Verfehlungen ein Preis und so brüllte die entnervte Kassiererin ihrer Kollegin fünf Meter weiter zu: "Maaaaa-tiiiii--naaaaaaa, wat kosten denn die Koriphäen?"

Gute Frage. Dat wüsste ich auch gerne.

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Montag, 3. Oktober 2005
Es war einmal...
Menschen lieben es an ihren eigenen Legenden zu stricken. Marlene Dietrich zum Beispiel behauptete zeitlebens Einzelkind gewesen zu sein, obwohl sie eine Schwester hatte, weil sie fand, dass das besser zu ihrem Image passte.

Überhaupt, es ist ja kein Geheimnis, viele Stars machen sich jünger als sie sind, weil sie finden, dass das besser zu ihrem Facelifting passt.

Optik und Image sind überhaupt alles.
Das eine funktioniert eher schlecht ohne das andere. Denn auch wer langsamer spricht als Rudolf Scharping und aussieht wie Boris Becker, wird mit dem richtigen Image trotzdem zum begehrten Supermann, Werbeträger, Frauenheld und TV-Moderator.

Dafür sorgen Berater und die B*LD Zeitung.

Otto NormalverbraucherIn muss solcherlei Werbetrommelei meist selbst in die Hand nehmen und alles gestaltet sich in bescheidenerem Rahmen, doch auch was im Grossen läuft wie geschmiert, funktioniert im Kleinen bestens.

In Heiratsanzeigen zum Beispiel liest man nie von furzenden, Parkuhr grossen, sich den Bauch kratzenden Pizza Bestellern, die in ihrer Freizeit am liebsten Tekken 5 spielen, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind auf www.geileweibergratisdawirstebekloppt.de zu surfen. Und auch nicht von putzsüchtigen, Dauerdiätlerinnen, deren Freizeit in dicken Socken verheult vor Fernsehschmonzetten oder wahlweise auf frustierenden Single-Partys stattfindet.

Nein, in der Anzeige sind sie alle schön, erfolgreich, sportlich, sexy, glutäugig und flachbäuchig. Nur das passende, perfekte Pendant fehlt.

Und in modernen Zeiten kommt noch die Bühne der Chatrooms und Weblogs dazu, wo mit Hilfe schwer wiederlegbarer, gut durchdachter Lügen und grossartiger Bildbearbeitungsprogramme alles auf Hochglanz gepusht wird.

Da wird die mittelmässige Studentin mit der hässlichen Kackmaschine oder den fünf neurotischen Katzen, die schmallippig und farblos auch in fortgeschrittenem Alter noch ständig bei ihren Eltern herumhängt, weil ihre schimmelige Souterrainbude sie von Tag zu Tag mehr deprimiert, zur heissen Solobraut, deren Leben ein einziges Abenteuer ist, weil sie so schön, klug und schlagfertig durch den Tag schwebt.

Vom Penner bis zum Pizzamann wollen es alle, aber wirklich alle mit ihr treiben, was in zahlreichen Geschichten, Gedichten und anderen Märchen dokumentiert und festgehalten wird.

Denn natürlich ist es ungleich schwerer live und in Farbe ordentlich an einem grandiosen Image zu feilen, wenn jedem der Anwesenden freier Ausblick auf Hautunreinheiten, Quadratlatschen oder Gruselklamotten gewährt werden muss.

Es lebe die Virtualität mit all ihren Vorzügen!

Und wenn sie sich mal ein bißchen ausweint, bei ihrer treuen Fangemeinde, dann hauptsächlich damit mal wieder jemand die Möglichkeit hat zu schreiben "Oh nein, Du bist doch so toll." Oder auch "Oh, nein Du bist doch so toll. Komm doch endlich mal vorbei wenn Du wieder in Osterholz-Scharmbek bist. Damit ich dich ordentlich pimpern kann."

O.k. Letzteres wird natürlich nur gedacht und nicht gesagt. Das wäre unfein und dem Stil der Superbraut nicht angemessen.

Und Stil kann man nirgendwo so gut dokumentieren, wie im Internet. Nur dort wird der penetrante Dauer-Hinweis auf gerade erworbene Sportwagen, Immobilien und Antiquitäten, nicht mitleidig belächelt und mit dem Gedanken "Mein Gott, wie arm und klein und peinlich" und einer dicken Gänsehaut quittiert.

Hier finden sich Jünger, Anbeter, die offenen Mundes und glasigen Blickes klatschen, wie die Reisenden der Holzklasse nach der sicheren Landung auf Mallorca mit Danger Tours.

Es ist nämlich gesellschaftsfähig geworden eine dicke Welle anzugeben. Sich selbst auf der noblen Dachterrasse zu fotografieren, lässig den Drink in der Hand mit hochgerutschten Socken und im kackbraunen Einreiher.

Oder locker flockig an den geleasten Oberklassewagen gelehnt, die letzten drei Haare vorsorglich über die fortschreitende Glatze gekämmt, mit Drei Tage Bart im Gesicht und Pulli über den Schultern.

Und in den Kommentaren steht nicht etwa: "Ih." oder "Und was soll das nun bedeuten?" sondern "Toll!" "Super!" "Ich beneide Dich!"

Ich glaube das Problem an der Sache ist, dass ich mich in dieser Hinsicht einfach nicht weiter entwickelt habe. Was ich schon im Teenager Alter abstossend fand, mit dem kann ich mich auch heute noch nicht anfreunden.

Verdeck auf oder zu, grossmäuliger Daherquatscher oder nicht, die Jungs, bei denen ich früher bereits Ekelherpes bekam, wenn ich mir mit schaudern vorstellte, dass ihr dicklippiges Fischmaul meine Haut egal wo auch nur ansatzweise berühren würde, können auch heute noch keinen Blumentopf bei mir gewinnen.

Und zwar nicht nur wegen der Fischlippen, sondern vor allem wegen ihrer widerlichen Art sich stets grösser aufzublasen als sie sind und an andere unglaubliche Ansprüche zu stellen. Denn was ihnen die Natur nicht mitgegeben hat, soll nun ausgeglichen werden durch den perfekten Partner.

Und so wird von Karpfi fleissig an der Mär von sich räkelnden Supermodels in seinem Liegestuhl gestrickt und vom Rasiermesserschnütchen gibts weiter Anekdoten zu hören, von auf der Strasse vor Geilheit zusammenbrechenden Typen, die, ob des Bibliothekarinnen-Charmes der sich ihnen da bietet, völlig die Contenance verlieren.

Und auch das gab´s früher schon. Die Mauerblümchen, Langweiler, Popelfresser, die an jeder Ecke angeblich heisse Angebote bekamen und von jedem Verehrer rote Rosen in Form riesiger Sträusse.

Und man selbst dachte wahrscheinlich: verflixt, da habe ich mir unter Schmerzen die Beine epiliert, 10 Pfund abgenommen, mich in zu enge Highheels gequetscht und der süsse Dunkelhaarige hat mich trotzdem nie wieder angerufen. Was mache ich bloss falsch?

Allein der Glaube ist es der uns trägt. Oder trügt. Je nachdem.

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Letzte Aktualisierung: 2013.07.29, 16:19