Fu Kar We: F R a U is for me (and Tatouage) G
Frau G.
Donnerstag, 25. November 2004
Ganz tief rein
Meine Heilpraktikerin ist nicht nur Spezialistin für traditionelle chinesische Medizin, sondern ausserdem auch eine ziemlich unterhaltsame Gesprächspartnerin.

Als die Moxa-Kiste auf meinem Bauch heiss wird, so heiss, dass ich Angst bekomme hinterher wie ein Stück Schweinebauch auf dem Grill auszusehen, rufe ich nach ihr, diverse Nadeln in diversen Körperteilen verhindern nämlich, dass ich selbst tätig werden kann.

Nachdem die Kiste auf annehmbare Temperatur gebracht worden ist unterhalten wir uns über die TCM die hier in Europa praktiziert und die, die in China angewendet wird. So erfahre ich, dass renitente Patienten (wie ich, anm. der Bloggerin) von einem chinesischen Arzt als persönliche Beleidigung empfunden werden und man sich dort nicht scheut Patienten ordentlich anzubrüllen, die sich nicht in Demut üben, wenn sie genadelt werden.

"Und beim Nadeln sind die nicht zimperlich, die Chinesen", klärt mich meine Heilpraktikerin auf, während sie auf dem Tisch neben mir sitzend vergnügt die Beine baumeln lässt. Zum Glück ist sie eine, die durchaus ein bißchen zimperlich ist, denke ich mir und vor allem eine, die speziell geschliffene Nadeln benutzt, die nicht ganz so weh tun. Im Gegensatz zu den ausgesprochen schmerzhaften Originalnadeln aus China, die mit ordentlich Schmackes in die jeweiligen Punkte gerammt werden, nach dem Motto: "Was weh tut, tut auch gut."

Wir sprechen darüber, dass die TCM nun immer mehr als alternative Heilmethode in den Vordergrund rückt und viele aufspringen wollen auf diesen lukrativen Zug, leider auch viele, die keine Ahnung haben. Vor allem zugelassene Ärzte schaffen sich so ein zweites Standbein. Die nötigen Kenntnisse holen sie sich in ein paar Wochenendseminaren. Dann ein bißchen Vernhandlungsgeschick mit den Krankenkassen und schwubs bezahlen die die Akupunktur der Patienten. Die Patienten werden so zwar nicht unbedingt gesünder, aber die Villa des Arztes ist flotter abbezahlt. Was ja immerhin auch etwas ist.

So erzählt sie mir von einem Chinesen, der zwar die richtige Optik besitzt, aber leider so gut wie keine Ahnung hat was er da macht. Nun denken die doofen Deutschen leider gerne mal jeder Chinese der Akupunktur anbietet sei automatisch unheimlich kompetent. Und wenn er auch noch besonders viele Nadeln setzt und mit Moxa-Zigarren herumwedelt, sind die Patienten meist tief beeindruckt.

Völliger Quatsch, sagt meine Heilpraktikerin, mehr als 10 oder 12 Nadeln zu setzen ist unter Umständen schädlicher als gar nicht zu nadeln. und Moxa ist nur bei bestimmten Krankheitsverläufen sinnvoll. Wie bei mir. Ich hab akutes Bauchweh und da ist so eine Moxakiste eine Top-Angelegenheit. Auch wenn es stinkt wie die Pest.
Aber mit typisch chinesisch hat das nix zu tun.

Typisch chinesische Ärzte, damit kommen die Europäer gar nicht gut zurecht, erzählt mir meine Heilpraktikerin. Sie selbst hatte ein halbes Jahr lang eine chniesische Ärztin mit in der Praxis, aber das erwies sich als keine so gute Idee. Abgesehen davon, dass sie fast nur chinesisch sprach und es so zu kleinen Kommunikationsproblemen kam, war kaum jemand von den Patienten mutig genug sich von ihr behandeln zu lassen.

Das was sie unter ganz normaler Behandlung verstand, glich aus europäischer Sicht mehr der chinesischen Folter.
"Andererseits", sagt meine Heilpraktikerin, "habe ich gesehen wie sie einen Patienten von einem inoperablen, bösartigen Augentumor geheilt hat. Per Akupunktur. Das war sehr beeindruckend."

Sie erzählt mir, wie die Ärztin aus China überlange Nadeln links und rechts neben das Auge gestochen hat, bis sie sich innen, hinter dem Auge überkreuzten. "Allein das zugucken tat schon weh", sagt sie und schaut mich mit grossen Augen an. Wir schweigen einen Moment ergriffen und lassen diese gruselige Vorstellung auf uns wirken.

"Zwei Wochen lang hat sie das jeden Tag gemacht bei dem Mann", erzählt meine Heilpraktikerin. "Und dann jeden dritten Tag sechs Wochen lang. Und dann war der Tumor verschwunden. Einfach unglaublich."

Letztendlich musste die Ärztin trotz ihrer unbestrittenen Erfolge bei Härtefällen wieder gehen, denn abgesehen davon, dass die Patienten Angst hatten vor ihr, rotze sie gerne neben den Leuten im hohen Bogen ins Waschbecken und furzte und rülpste in aller Öffentlichkeit.
Und es war irgendwie nicht möglich ihr klar zu machen, dass sowas hier in Deutschland nicht tragbar ist in einer Arztpraxis und die Patienten wegen sowas nicht mehr wieder kommen.

Wir kichern zusammen bei der Vorstellung der entsetzten Gesichter der Patienten, die ahnunglos auf der Liege der Dinge harren die da kommen und dann nur haarscharf einem Spuckeklumpen entgehen, um im nächsten Moment eingegast zu werden.

"Nee," sag ich zu meiner Heilpraktikerin, "die haben schon eine eigene Mentalität, die Chinesen." Und sie stimmt mir nickend zu, springt vom Tisch und fängt an die Nadeln herauszuziehen.
Wir haben fertig.

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Letzte Aktualisierung: 2013.07.29, 16:19