Fu Kar We: F R a U is for me (and Tatouage) G
Frau G.
Mittwoch, 22. September 2004
It´s a long way to tipperary
Und der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft, oder zumindest die Entschlusskraft aufzubringen den Anschlusszug dorthin nicht gänzlich zu verpassen, ist anscheinend ein ähnlich diffiziles Unterfangen. Aber davon später.

Immer wieder, wenn ich von der Ostssee schwärme und dabei auf Usedom oder Rügen zu sprechen komme, höre ich den Satz: "Das is doch im Osten, oder?" In dieser (meist) rethorischen Frage schwingt eine ordentliche Portion Misstrauen mit, gespeist durch Horrorberichte über Sättigungsbeilagen, ungemütliche Ost-Strandkörbe und die ostdeutsche Interpretation eines Jägerschnitzels, dessen Basiszutaten aus einer Scheibe Jagdwurst aus der Pfanne und Päckchensauce zu bestehen scheinen.

Ich selbst war gleich nach der Öffnung der Grenzen "drüben", kam bis Schwerin, dann bis Wismar und schliesslich sogar bis Bad Doberan und fand schon, dass alles reichlich im Dutt war. Ruinen ja, aber von auferstanden aus eben diesen konnt leider keine Rede sein. Doch ein gewisses Potential war bereits zu sehen.

Vieles war zwar zerfallen, aber immerhin noch vorhanden und nicht entfernt und durch 70er Jahre Klotz-Bausünden ersetzt worden, wie in den deutschen Ostseebädern. Grottenhässliche Kästen wie in Grömitz, Dahme oder auf der schönen Insel Norseeinsel Sylt fanden sich deshalb kaum. Dafür eine Menge Jugendstilcharme. Und der ist in den letzten 15 Jahren auf Hochglanz poliert worden. Zumindest auf Rügen und in Usedoms Kaiserbädern. Dort steht eine Schönheit neben der nächsten, dicht aneinander geschmiegt in verwinkelten Gässchen voller Katzenkopfsteinpflaster. Das und der kilometerlange, weisse Sandstrand, die würzige Seeluft und die dichten, herbstlichen Wälder sind schon eine Reise wert. Schön anzusehen ist aber auch das Hinterland von Usedom und die Dörfchen entlang des Achterwassers, in denen liebevoll restaurierte Reetdachkaten mit wunderschönen Bauerntüren und Bleiglasfensterchen die Jugendstilhäuser ablösen und sogar Schlösser und Klöster zu einer Besichtigungstour einladen.

Schon längst haben deshalb pfiffige Unternehmer den Reiz dieser Landschaft erkannt und machen gute Geschäfte mit Angeboten zu saftigen Preisen.
Ein alter Gutshof in Mellenthin, direkt neben dem ehrwürdigen Wasserschloss, präsentiert sich als ein Etablissement der gehobenen Klasse - zumindest stellt es sich dem geneigten Besucher so dar, bevor er seine Erfahrungen mit dem anstelligen Personal gemacht hat, dass dort scheinbar von den Begriffen "Service" "Freundlichkeit" "Kulanz" oder auch nur "Hotelfachschule" noch nie etwas gehört hat.

Das Drama nahm seinen Lauf, als Herr G. den Schriftzug "Waffelbäckerei" las. Herr G. liebt Waffeln und überredete deshalb auch Frau G. vor dem Konsum geschichtsträchtiger Kulturerlebnisse, erst doch noch rasch ein wenig Essbares zu konsumieren, vorzusweise mit Sahne und frischen Erdbeeren. Gesagt, getan und eingetreten. Toskanischer Charme meets ostdeutsche Bauernscheune, eine Messaliance die erheblicher hübscher daherkommt, als sie klingt.

Unser Kellner hingegen verfügte weder über ostdeutschen, noch über toskanischen Charme, wie wir schnell feststellen mussten.

Worte wie "bitte", "danke" und "gerne" waren bei seiner Konfiguration scheinbar gegen "hä?" "ja" und "wat?" ausgetauscht worden. Ausgestattet mit einem ruppigen Ostberliner Dialekt und dem Gemüt eines Fleischerhundes, trampelte er durch die liebevoll dekorierte Gaststube und über die Nerven der Gäste.

Frau G., nicht so scharf auf Waffeln und Co., fühlte sich mehr von einem Salatteller mit griechischen Accessoires angesprochen, Herr G. wählte die begehrte Waffel. Das Essen kam und sah sehr lecker aus. Es schmeckte auch nicht schlecht, bis Herr G. sein geliebtes Eheweib, Frau G., (die aus Eitelkeit mal wieder die Brille abgesetzt hatte) darauf aufmerksam machte, dass in ihrem Salat "irgendetwas herum liege, was da wohl nicht hingehöre." Bei näherer Betrachtung und mit freundlicher Unterstützung der Sehhilfe, stellte sich das "Etwas" rasch als ein ca. drei Zentimeter langes Stück verrosteter Draht heraus. Diese Entdeckung verschlug Frau G. dann leider nachhaltig den Appetit.

Der muffige Kellner wurde dementsprechend gerufen und fragte bei Sicht der Lage auch prompt: "Wat isn dette?" "Ich denke es handelt sich um ein Stück Draht", gab ich informativ zurück, "allerdings weiss ich nicht genau um welche Sorte, ich habe ihn nämlich nicht hineingetan". Schweigend rupfte mir der gute Mann das Korpus Delikti aus der Hand und polterte Richtung Küche, wo er wieder "Wat isn dette?" brüllte. Die Antwort darauf konnten wir leider nicht verstehen.
Nach etwa 5 Minuten kam Oberkellner Dummski zurück und begann lautstark Kaffeetassen zu sortieren. Wir befanden uns nun scheinbar im Ignoremodus, denn über den Draht verlor er kein Wort mehr. Den zur Hälfte noch unberührten Salat räumte er wortlos ab.

Bis die Rechnung kam. Dort war der Salat nämlich wieder brav aufgelistet. Und was dann passierte, war fast noch schlimmer, als Metallgegenstände unbekannter Herkunft im Essen vorzufinden.

Frau G.: "Ich sehe Sie haben den Salat auf die Rechnung geschrieben?"
Dummski: "Klar, den habense ja och gejessen."
Frau G.: "Ja, bis ich den Draht fand."
Dummski: "Ja und?"
Frau G.: "Wie und? Sie denken doch wohl nicht dass ich für sowas 9,80 Euro bezahle."
Dummski: "Aba sicha! Sie haben den gejessen und bezahlen den och."
Frau G.: "Das kommt gar nicht in die Tüte. Ausserdem hätte ich ehrlichgesagt zumindest eine Entschuldigung erwartet."
Dummski: "Ick hab mitn Koch gesprochen. Det muss ja wohl reichen."
Frau G.: "Sind Sie hier der Geschäftsführer?"
Dummski: "Nee, der is och nich da. Zahlen Sie det jetzt und fertich."
Frau G.: "Kommt gar nicht in Frage. Abgesehen davon dass es gefährlich ist Draht im Essen zu haben ist es auch noch unhygienisch."
Dummski: "Det is mir doch egal. Sie zahlen."
Frau G.: "Dem Gesundheitsamt ist das aber zum Beispiel nicht egal. Ob Sie´s glauben oder nicht da gibts einige Vorschriften."
Dummski: "Ist mir sogar scheissegal."
Frau G.: "Ich zahl für diesen Mist nichts, da können Sie sich auf den Kopf stellen."
Dummski: "Sie zahlen!"

Sämtliche Gäste des Restaurants hatten die Angelegenheit verfolgt und regten sich nun ebenfalls lautstark darüber auf, wie hier mit den Gästen umgesprungen wurde, Dummski verschwand daraufhin kurz in der Küche kehrte zurück und reagierte nun gar nicht mehr auf unsere Anwesenheit. Also zahlten wir die Rechnung passend, bis auf den Salat, den zahlten wir natürlich nicht und verliessen die gastfreundliche Stätte. Nicht ohne Dummski mitzuteilen, dass wir voneinander hören werden und das werden wir. Und auch das Gesundheitsamt MV, der abwesende Chef und sämtliche Kollegen, die die Reiseführer geschrieben haben, in denen dieses Lokal empfohlen wird, werden ebenfalls von uns hören.

Vielleicht bringts ja was. In Zeiten von Arbeitslosigkeit und HartzIV sollte doch lieber jemand diesen Job machen, der das kann. Dummski jedenfalls ist höchstens für´s Klo putzen geeignet und auch da habe ich so meine Zweifel.

Das Wasserschloss haben wir dann leider nicht mehr besichtigt, vielleicht ein anderes Mal. Und meine Brille lasse ich zukünftig beim speisen lieber auf der Nase. Besser ist das.

... comment

 
Leute gibts ...
*kopfschüttel*
Hoffentlich ist der Typ nicht liiert. Seine Frau/Freundin täte mir Leid. Das kann er sicher auch nicht ...

Ulrike

... link  

 
Autsch
Sowas kann einem echt den Urlaub vermiesen. "Wat isn dette" kenne ich beruflich zu genüge und weiss, wie dessen Wiederholung einem auf den Senkel gehen kann.

Das Fiese: solche Sachen bleiben einem viel fieser in Erinnerung als all die netten Leute.

Gehirnreset, jetzt.

... link  

 
sie nörgelnder Besserwessi! :)

( ich hätt NULL gezahlt )

- Grussregierung.

... link  


... comment


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.

Online seit 7755 Tagen
Letzte Aktualisierung: 2013.07.29, 16:19