Fu Kar We: F R a U is for me (and Tatouage) G
Frau G.
Sonntag, 6. Juni 2004
D-Day


"Opa war in Ordnung - Unsere Großväter waren keine Verbrecher"

Diese Nazi-Parole hätte mir fast meinen Urlaub auf Usedom versaut, als ich sie zufällig an einen Schaukasten geklebt entdeckte.

Mein erster Gedanke war: ja, die Ossis haben einiges nach zu holen, auch ihre Auseinandersetzung mit dem Neo-Nationalsozialismus. Doch im gleichen Moment wurde mir klar, ich machte es mir zu einfach. Neo-Nazis gibt es schliesslich nicht nur im Osten. Im Gegenteil, es gibt sie allüberall und bereits so lange wie der 2. Weltkrieg vorbei ist, seit damals, als die NSDAP offiziell ausgelöscht wurde.

Doch auch die Nazis waren im Grunde Faschisten der 3. Liga.
Pogrome, Verfolgungen, Hass auf Fremde, Andersgläubige, Andersfarbige, Andersfühlende sind tief verwurzelt in der Geschichte der Menschheit. Vielleicht fanden sie in der Shoah nur ihren traurigsten Höhepunkt.
Ich hoffe darauf und beruhige so oft meine Sorge, dieser Höhepunkt könnte uns unter Umständen erst noch bevor stehen.

Zum 60. Jahrestag ist es selbstverständlich, dass die Deutschen teilnehmen an diesem Tag, mitfeiern, mitgedenken.

Gerhard Schröder ist der erste deutsche Kanzler, der an diesen Feierlichkeiten vor Ort teilnimmt. Helmut Kohl wurde vor 10 Jahren gar nicht erst eingeladen und trompetete auch prompt heraus, er wäre sowieso nicht hingefahren, dieser Tag sei kein Feiertag für die Deutschen deren Soldaten reihenweise dort gefallen seien, an den Stränden der Normandie.

An genau den Stränden, an denen ich mich vor eben genau 10 Jahren in der Sonne aalte. Abends aßen wir in einem sehr alten, kleinen Hotel, in der Rue Fourneau, in einem dieser winzigen Städtchen, die in die Steilküste gehauen scheinen. Simone et Thérèse gehörte dieses Schmuckstück und während Simone bediente, vollbrachte Thérèse in der Küche wahre Wunder der Kochkunst.

Man sass auf der verglasten Veranda, an weiss lackierten Tischen mit rot-weiss karierten Decken und genoss den Sonnenuntergang über dem Meer, während der Hausherr Gläser, Bestecke und Servietten heranschleppte.
Der besondere Clou waren die Platzsets mit den ergreifendsten Szenen der Invasion zum D-Day und Cirdre D-Day, très brut.

Wir bekamen die Speisekarte, bestellten und kamen ins Gespräch. Wie lange wir blieben, wie es uns gefiele, woher wir kämen. Aus Deutschland? Simone wechselte kurz die Gesichtsfarbe.

Mit grossen Gesten rupfte er uns die Platzsets weg und entschuldigte sich lautstark. Er. Bei uns. Er habe unsere Gefühle verletzt. Er schäme sich. Ob wir Angehörige verloren hätten im Krieg. Ja, sagte ich, ja, aber nicht in der Normandie. Und ich erklärte ihm, dass ich ganz gerne mitfeiern würde, wenn das für ihn in Ordnung wäre.

Und so feierten einige Franzosen und zwei Deutsche den D-Day hoch über dem Strand, der inzwischen zu weitaus friedlicheren Zwecken genutzt wurde und an dem die Kinder im letzten Licht des Tages Muscheln suchten. Statt Blut floss der Wein in Strömen und das war gut so.

Einige Grossväter waren vielleicht Verbrecher, andere waren Opfer, einige waren Helden und viele waren Feiglinge.

Aber das ist gar nicht mehr so wichtig, wichtig ist nur ob wir in Ordnung sind.

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Letzte Aktualisierung: 2013.07.29, 16:19